Ein wichtiges Thema: Sozialisierung

"Mein Hund braucht keine anderen Hunde - er braucht nur mich!"

Aber ist das richtig?

 

Sozialisation ist eines der Grundbedürfnisse aller sozialen Lebewesen, und somit auch das des Hundes. Ein Hund braucht die Gesellschaft seines / seiner Menschen, die für ihn sorgen, er braucht aber auch Kontakt zu anderen Hunden. Bitte lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn dies heutzutage (sogar unter Hundetrainern!) immer häufiger in  Frage gestellt wird. Leider zeigt sich in den letzten Jahren eine Entwicklung zu diesem Thema, die meines Erachtens alles andere als günstig ist. 

 

Der Hund ist ein obligat (obligat=zwingend) soziales Lebewesen und hat demzufolge auch das Recht auf regelmässige freie Sozialkontakte zu Artgenossen. Nur so kann er die so wichtige Kommunikation unter Hunden erlernen und diese verfestigen. Wird ihm dies ohne triftigen Grund dauerhaft vorenthalten, ist diese Haltungsform als nicht artgerecht anzusehen.

 

Die Folge solch restriktiver Haltung sind schlecht sozialisierte Hunde, die nicht mehr ohne weiteres im Freilauf geführt werden können, da sie zu einer Gefahr geworden sind. Aufgrund der immerwährenden Frustration des Hundes stellen sich dann meist Verhaltensprobleme ein, die sogar oftmals als tierschutzrelevant einzustufen sind. Beispiele hierfür können sein: Übermäßig aggressives Verhalten, das sogenannte „Leinenpöbeln“, aber auch übermäßige Angst vor Hundebegegnungen, Stereotypien, Zwangshandlungen (Leckzwänge!) uvm.. Es entwickelt sich ein Teufelskreis, den zu durchbrechen sehr viel Mühe macht und oftmals gar nicht, oder zumindest nicht mehr ohne professionelle Hilfe gelingt.

 

Doch leider sind die Möglichkeiten, seinen Hund gut zu sozialisieren, immer weniger geworden. Fast flächendeckender Leinenzwang und immer restriktivere Bestimmungen für Hunde in der Öffentlichkeit machen eine vernünftige Sozialisation eines Hundes nahezu unmöglich bzw. stellen eine immer schwieriger zu lösende Aufgabe für den Hundehalter von heute dar. Kein Wunder also, dass der Maulkorb „salonfähig“ geworden und schon beinahe zur Grundausstattung eines jeden größeren Hundes gehört. Nichts gegen eine Absicherung eines gefährlichen Hundes, aber in dem Maße, wie diese heutzutage propagiert wird, ist es eher der Ausdruck eines verzweifelten Versuchs, Defizite in der artgerechten Sozialisierung auszugleichen.

 

Ein Maulkorb kann sich lösen, eine Leine kann reißen. Das Einzige, was im Gegensatz zu „technischen Mitteln“ niemals versagt, ist eine gute Sozialisation!

 

Eine gute Sozialisierung ist neben einem soliden Grundgehorsam das Wertvollste, was man sich mit seinem Hund erarbeiten kann (und sollte!). Ein gut sozialisierter Hund ist eine wahre Freude. Man kann ihn problemlos nahezu überall mit hinnehmen, er ist in der Lage, mit Artgenossen adäquat zu kommunizieren und sich fast jeder Situation anzupassen. Von einem gut sozialisierten Hund gehen kaum Gefahren oder Störungen aus. Und das auch - oder gerade - ohne Leine.

 

Deshalb ist es sehr wichtig, von Anfang an mit dem Welpen regelmäßigen Kontakt zu anderen Hunden zu suchen und dies auch, wenn möglich, das ganze Hundeleben so fortzuführen. Sozialisation ist keine „Übung“, die, einmal gelernt, immer abrufbar sein wird. Sozialisation bedarf aber ständiger Übung, um erhalten zu bleiben. Und, auch wenn es Menschen gibt, die das glauben: Nein, es gibt kein „Kommando“ für „gutes“ Sozialverhalten!

 

Ein weiterer, sehr verbreiteter Irrtum: Dressur hat NICHTS mit Sozialverhalten zu tun!

 

Es gibt Hunde, die Dressuraufgaben, wie sie in der sogenannten „Unterordnung“ (welch altmodische und irreführende Bezeichnung!) verlangt werden, perfekt beherrschen, jedoch ein sehr schlechtes Sozialverhalten gegenüber Artgenossen zeigen. Umgekehrt kann ein Hund ein vorzügliches Sozialverhalten zeigen, ohne dass er jemals etwas von „Sitz“ oder „Platz“ gehört hat. Wie gesagt, dieser sogenannte Formalismus hat wenig mit Sozialisation zu tun. Was nicht heißt, dass wir als Menschen bei der Sozialisation unseres Hundes nicht auch mitwirken können. Das geht im positiven, wie auch - leider - im negativen Sinn.

 

Unglücklicherweise finden aber auch immer noch „Sozialspielstunden“ in einigen Hundeschulen statt, die aufgrund unsachgemäßer Durchführung eher schädlich als förderlich für eine gute Sozialisation sind. Daher ist auch bei der Auswahl der Sozialisationsmöglichkeiten im Hundeschulbereich große Vorsicht geboten.

 

Worauf bei einem guten Sozialisationstraining zu achten ist, und wie sie ihren Hund bei Sozialkontakten mit Artgenossen positiv beeinflussen können, zeige ich ihnen gerne während eines gemeinsamen Spaziergangs mit mehreren, mindestens aber zwei Hunden. Auch für Mehrhundehalter sind diese Sozialisationsspaziergänge ("social walks") geeignet.

 

Termine auf Anfrage!

 

Fotos: I. Lafrenz